Am Eingang zum Tierpark Hagenbeck steht rechts ein Bollerwagen, voll mit bunten Tüten. Rundherum hat sich eine kleine Gruppe von Erwachsenen und Kindern versammelt. Mehak und ich gehen darauf zu, lehnen uns aber erst einmal an den Rand des Wasserbeckens, das den „Pagodentempel“ umrahmt. Sauber ist das Wasser nicht, aber wir betrachten auch lieber die gut gelaunte kleine Gruppe. Gehören wir dazu? Dann erkenne ich Annegret Boehm und Nicole Blaase: Die beiden hatte ich kennengelernt, als ich mich 2014 beim Leseleo e.V. im „Patencafé“ vorgestellt hatte.
Mehak ist mein Lesepatenkind und 8 Jahre alt. Ihre Familie kommt aus Indien. Seit Dezember 2014 fahre ich einmal in der Woche in die Schule Slomanstieg im Stadtteil Veddel. Wir setzen uns zusammen und arbeiten eine Stunde miteinander. Wenn ich komme, frage ich sie: „Mehak, warum bin ich hier?“ Sie lächelt – und sagt: „Weil ich lesen lernen will.“ Dann breite ich meine unterschiedlichen Leselernblätter aus, sie sucht sich das erste aus und wir fangen an.
Bei Hagenbeck versammeln sich immer mehr Kinder und Erwachsene unserer Leseleogruppe. Die Kinder greifen nach einer Tüte aus dem Bollerwagen, jetzt traut sich das auch Mehak. In der bunten Tragetüte sind ein Stofftier, eine Kappe, Gummibärchen, Knusperriegel, Äpfel, eine Wasserflasche und noch eine weiße Tüte. Mehaks Tier ist ein Elch. Sie zögert. Manche Kinder sind dabei, ihre Tiere umzutauschen. Ich sage zu Mehak: „Willst Du auch tauschen?“ Sie nickt, nimmt sich ein Zebra und freut sich.
Gegen elf Uhr setzen wir uns alle in Bewegung, wir sind etwa 40 Personen. Ziel Haupteingang. Der Verein hat den Eintritt aus Spendengeldern bezahlt. Dahinter erwarten uns zwei junge Mädchen von der „Zooschule“. Sie teilen die Gruppe auf und wir folgen ihnen brav. Zuerst geht es zu den Elefanten. Jetzt kommt die weiße Tüte zum Einsatz: Von Hagenbeck genehmigtes Tierfutter. Mehak hat Probleme, den Rüssel des riesigen Elefanten zu erreichen. Sie ist zu klein, um mit dem Futter über die Absperrung zu kommen. Ich helfe ihr. Die Möhre landet im Ziel.
Am Hagenbeck-Denkmal wird natürlich Halt gemacht. Die Zooschülerin widmet dem Zoogründer anerkennende Worte. Danach geht es weiter: Für rund 2000 exotische Tiere ist dieser große, grüne Park das Zuhause. Unsere Führerin hält immer wieder an, beschreibt die Tiere in ihren Gehegen oder Wasserstellen, fragt nach, zeigt Bilder, lässt die Kinder den Zahn eines Löwen anfassen. Sie öffnet für uns auch ein „Haus“ für Strausse und Zebras, das die anderen Besucher nicht zu sehen bekommen.
Wir können nur etwa die Hälfte der Parktiere betrachten, füttern, bewundern. Für Mehak – und auch viele andere Kinder – ist ein besonders beliebter Ort das „Streichelgehege“: Ziegen und Schafe auf Augenhöhe und sehr gefräßig, was das Futter aus Kinderhänden angeht.
Die Zooschülerin beendet ihren Rundgang mit uns.
Mittagspause am Kinderspielplatz. Wer möchte, packt sein Lunchpaket von zu Hause aus oder greift in die Bollerwagentüte. Die Kinder rennen los. Auch Mehak, zusammen mit ihrer neuen Freundin Ella. Die beiden haben sich hier in der Leseleo-Gruppe kennengelernt, besuchen unterschiedliche Schulen. Jetzt wird gerutscht, geschaukelt, geklettert, gerufen, gehüpft.
Der Bollerwagen ist leer. Irgendwann brechen wir auf. Einen Höhepunkt haben wir noch vor uns: Die Fütterung der Walrosse um 15 Uhr. Seebären, Robben, Walrosse schleppen sich durch ihre Wasseranlage. Ein Tierpfleger sitzt am Rand mit einem Eimer voller Fischchen und einem gewaltigen Walross neben sich. Das schnappt sich die kleinen Fische aus der Hand des Pflegers, eins nach dem anderen und schnaubt zufrieden. Der Tierpfleger unterhält dabei mit vielen Worten fröhlich die Besucher, die sich an der Abgrenzung eng nebeneinander scharen. Auch Mehak und Ella, und wir Erwachsenen dahinter.
Mit den Eltern ist vereinbart, dass ich Mehak gegen 16 Uhr zu Hause abliefere. Der Vater ruft an und ich sage ihm, dass wir uns jetzt auf den Weg machen. Von Hagenbeck nach Hamburg Veddel sind es etwa 12 Kilometer. Mehak und Ella müssen sich nun voneinander verabschieden.
Im Auto frage ich Mehak welches Tier ihr am besten gefallen habe. „Die Kaninchen.“ Und was war noch besonders gut? „Ella.“ Wir parken vor der Bücherhalle der Schule Slomanstieg. Mehak wohnt gleich um die Ecke. Wir beide laufen in Richtung ihrer Wohnung, Mutter und Onkel kommen uns schon lächelnd entgegen. Mehak fährt in den Ferien nicht weg. Zum Abschied sage ich ihr, dass ich in den Ferien ihre Eltern anrufen werde, um mich mit ihr noch einmal zu verabreden.
Leseleo Ulrike























Die Fotos entstanden mit freundlicher Genehmigung von Hagenbecks Tierpark.